Samstag, 28. August 2021
«Englisch für Anfänger»
English-Vinglish) (2012, 134 Min.) Regie: Gauri Shinde
Der Film «Englisch für Anfänger» (English-Vinglish) aus dem Jahr 2012 stellt – wie viele indische Filme – Emotionen einfühlsam dar und greift allgemeine Probleme in der Gesellschaft auf. Oft werden Gedanken und Gefühle der Beteiligten musikalisch dargestellt, um ihnen mehr Gewicht zu geben. «Englisch für Anfänger» ist ein Film über eine indische Mittelstandsfamilie, in der die sympathische, lebensfreudige und zurückhaltend-vorsichtige Frau und Mutter Shashi von ihrem Mann und den umsorgten zwei kleineren Kindern abgewertet, ausgelacht und heftig gedemütigt wird, weil sie kein Englisch spricht – also wie die Armen dumm und ungebildet ist. Englisch als Sprache der Kolonisatoren ist heute in Indien neben Hindi Amtssprache, ein Verständigungsmittel zwischen den 121 verschiedenen Sprachen und wird in vielen höheren Schulen und Universitäten gesprochen. Shashi kocht besonders gut und wird darauf abwertend festgelegt. Sie entwickelt dabei jedoch keinen Ärger oder Hass auf die anderen Familienmitglieder.
Der Film zeigt auf, dass Menschen sich selbst mehr Wert geben, wenn sie sich bilden und dabei Erfolge erleben und sich mit anderen gleich fühlen. Durch einen Zufall kann die Mutter, Shashi, ohne ihre Familie in den USA bei Verwandten einige Wochen eine Hochzeit vorbereiten. Sie ergreift die Gelegenheit, heimlich und mit der gleichen Intensität und Genauigkeit wie beim Kochen, Englisch in einem Sprach-Kurs zu lernen. Sie zeigt auf, dass Lernen gut möglich ist, wenn man nicht getrieben ist, anderen beweisen zu müssen, dass man auch etwas kann. Sondern dann gut lernen kann, wenn man mit einem ruhigen Grundgefühl, gleichwertig, freundlich, geduldig, in einer freudigen und unaufgeregten und einfühlsamen Verbindung mit anderen Lernern und mit dem Lehrer alles genau erfragt und gemeinsam übt.
Der Film zeigt auch auf, dass jeder und jede aus der ganzen Welt während des gemeinsamen Lernens als Mensch gewürdigt und gleichwertig behandelt werden soll, unabhängig von Reichtum, Hautfarbe, Herkunft und Charakter. Bildung stärkt jeden, sich so einzubringen, wie er ist. Man kann zudem gleichzeitig Verständnis für die Lebensweise des anderen gewinnen und ihn respektieren.
Shashi merkt durch die liebende Zuwendung eines Mitschülers, dass ihr die Zuneigung ihres Mannes fehlt und sie zu wenig Selbstachtung hat. Im Gegensatz zu der weitverbreiteten Ansicht, Frauen müssten sich befreien respektive in dem Sinn emanzipieren, dass sie den Mann als Übeltäter vorführen oder ihn mitsamt den Kindern verlassen und sich triumphierend über ihn stellen, stellt Shashi einen anderen Weg vor. Sie lässt sich nicht auf ein Liebesabenteuer mit dem liebenden Mitschüler ein, sondern erkennt durch ihn, dass sie sich mehr Wert beimessen kann.
In einer auf Englisch gehaltenen Rede an der Hochzeit stellt sie dem Mann und den Kindern eine Perspektive eines gleichwertigen Zusammenlebens in der Familie vor. Sie droht nicht mit einem Bruch der Beziehung, sondern weist selbstbewusst darauf hin, wie innige und innige Beziehung sein könnte. Sie hat den Wunsch und weist feinfühlig und klar darauf hin, wie eine Veränderung möglich sein kann, ohne ihrerseits zu versuchen, sich über ihren Mann und die Kinder zu stellen und sie klein zu machen. Sie weiss offenbar, dass es nicht um den Kampf darum geht, wer gewinnt, sondern dass ein respektvoller Umgang das Leben verschönert. Das macht sie vor.
Viele Kritiker aus dem Westen waren enttäuscht über diesen Ausgang im Film. Sie glaubten, dass Shashi am Schluss eine Kehrtwende machte oder Angst vor der eigentlichen Emanzipation hatte. Sie merkten nicht, dass der Kampf zwischen den Geschlechtern verhindert, dass man friedlich zusammenleben kann und zudem die Gefühle füreinander und das Vertrauen zueinander zerstört werden. Sie übersahen, dass man sich normalerweise versöhnen kann, wenn man merkt, dass Mann und Frau unbewusst und eingeengt leben, wenn sie sich nicht gefühlsverbunden und gleichwertig behandeln. So überwindet der Film die einseitige, weitverbreitete Ansicht, die Frau müsste sich zuerst unabhängig vom Mann machen und dann so stark werden, dass sie bestimmt. Der Film zeigt auch, dass jeder Mensch leichter einsichtig wird, wenn er nicht ins Minus gesetzt wird. Entsprechend zeigt der Film am Schluss, dass sowohl der Mann als auch die Kinder betroffen und beschämt erkennen, welche krummen Wege sie gegenüber seiner Ehefrau und ihrer Mutter eingeschlagen haben.
Wie in vielen anderen indischen Filmen wird auch hier dargestellt, dass sich der Mensch im Denken und Fühlen umstellen kann, wenn er nicht verurteilt, sondern im Gefühl erreicht wird, auch wenn er oder sie sich ganz daneben gestellt haben.
Man könnte darüber reden, ob diese Kampfhaltung zwischen Mann und Frau in christlich-abendländischen Ländern damit zu tun hat, dass die bösen Menschen verloren sind, man sich von denen absondern muss und eine klare Trennung zwischen richtig und falsch besteht. Das wurde traditionell so gedeutet, dass den Kindern in den ersten Lebensjahren vermittelt wird, dass man auf der richtigen Seite stehen muss und diejenigen mit Fehlern abwertet. Der Ausweg besteht im Westen darin, sich von den anderen zu distanzieren und seinen eigenen, rechtschaffenen Weg zu gehen, auch wenn er einsam ist. In Indien sind traditionell die verschiedenen Götter alle auch mit Fehlern behaftet und werden trotzdem gewürdigt. Man hält jeden Menschen für fähig, sich zum Guten zu verändern. Es könnte sein, dass in der Erziehung deshalb oft die Fehler nicht so heftig ablehnend beurteilt werden und man mehr Spielraum fürs Leben und Zusammenleben hat.

Wir sollten lernen, mit den Augen des Kindes zu sehen, mit den Ohren des Kindes zu hören, mit dem Herzen des Kindes zu fühlen.