Originaltitel: The Last Word, (2017, 108 Min.) Regie: Mark Pelleton. Drehbuch: Stuart Ross Fink
Das 108-minütige Komödiendrama «Zu guter Letzt» aus dem Jahr 2017 zeigt insbesondere zwei scheinbar ganz unterschiedliche Frauen, deren Lebensmelodien nach und nach immer verständlicher werden und die sich gegenseitig im Leben eine neue Richtung geben. Die pensionierte Geschäftsfrau Harriet Lauler, eine erfolgreiche, perfektionistische, gradlinige und einsame Kratzbürste, will vor ihrem Tod den Nachruf bei der darauf spezialisierten, befangenen jungen Journalistin Anne bestimmen.
Entgegen dem herrischen Getue zeigt sie damit von Anfang an, dass ihr – wie jedem Menschen – eigentlich sehr daran liegt, was andere von ihr halten und wie sie in Erinnerung bleibt. Es wird im Film immer deutlicher, dass sie sich offensichtlich unbewusst vorgenommen hat, sich von niemandem und in keinem Detail von anderen bestimmen zu lassen, sich auch auf niemanden zu verlassen und zielstrebig auch alleine voranzugehen. Sie stützte sich deshalb auf niemanden ab, weil sie meinte, sich nur so eigenständig fühlen zu können und Bedeutung im Leben zu haben. Das Ergebnis dieser vom Menschen abgewandten Irritation in ihrem Lebensstil ist trotz ihrem eisernen Mut Einsamkeit bis hin zu einer inneren Leere.
Gerade gegenüber Männern ist sie ein Beispiel dafür, was der Tiefenpsychologe Alfred Adler den «männlichen Protest» nannte: Die erlebte Ungleichheit der Geschlechter kann zu einer Gefühlslage führen, sich gegen den Mann und das Leben wehren zu müssen und zu versuchen, wie ein «fiktiver Mann» dominant auftreten zu müssen – will man sich nicht einfach unterordnen. Diese unbewusste Haltung führt dazu, dass man glaubt, sich auch gegenüber netten Menschen sofort durchsetzen zu müssen und Gefühle der Verbundenheit abzulehnen, da diese spontan damit verknüpft sind, sich zu demütigen. Harriet war durchdrungen, auch ihrem sie liebenden Ehemann gegenüber ständig beherrschend aufzutreten, so dass sich dieser gezwungen sah, sich nach vielen Jahren zu trennen. Wir können diese einengende Gefühlslage im Film gut erfassen, auch wenn wir dort kaum erfahren können, welche Kindheitserlebnisse Harriet dazu geführt haben. Dieser privatlogische Lebensentwurf ohne Möglichkeit, sich mit anderen abzustimmen, führte Harriet direkt in eine Selbstbezogenheit, der sie sich erst ein wenig entziehen konnte, indem sie sich mit Anne und dem «verlorenen» Kind Brenda wie in einer 3-Generationen Familie versuchte zu verbinden und sich auch der Welt generell öffnete, indem sie Hörer in einer Radiosendung ermutigte, nicht nur einen schönen Tag zu haben, sondern jeden Tag wichtig zu nehmen.
Jedenfalls erfährt man im Film, dass auch Harriet mit ihrem Gefühl, sich nirgends anvertrauen zu können und überall sich zu wehren, kein böser Mensch ist, sondern gut verstehbar einer unbewussten subjektiven Logik folgt. Ja, dass sie glaubte, an sich und an alle anderen Menschen sehr hohe Anforderungen stellen zu müssen, damit das Leben gut vorangeht. Man erfährt ebenfalls, dass sie zwar meist ihre oft gut überlegte Meinung sehr heftig und unverschnörkelt vorträgt und die meisten Menschen damit vor den Kopf stösst – auch weil sich die meisten Menschen zu schnell einschüchtern lassen. Doch sie geht gerne ein und muss sogar erleichtert lachen, wenn ihr jemand sachlich aufzeigen kann, was sie falsch sieht. Und wenn zunächst kein Mensch aus ihrer Umgebung etwas Gutes von ihr zu berichten wusste, erlebt man, dass sie sich der Journalistin Anne immer mehr annähert und dabei Lebensfreude und freundschaftliche Gefühle entwickelt. Allerdings verbleibt sie bis zum Schluss in ihrer unbewussten Privatlogik, dass sie sich nur entfalten könnte, wenn sie sich selbst sei – mit ihren unbewussten dysfunktionalen Anteilen, die es verhindern, dass sie sich freudig mit anderen abstimmen kann. So müssen sich die anderen ihr anpassen, wenn sie ein gutes Leben mit anderen führen will. So bleibt sie beispielsweise weiterhin zu ihrer Tochter auf Distanz anstatt sich mit ihr zu versöhnen. Und redet sich ein, dass sie es gut gemacht hätte, obwohl ihre Tochter ebenso starrköpfig geworden ist wie sie.
Indem sie sich zunächst gezwungen sieht, für einen guten Nachruf sich mit der Familie und ehemaligen Mitarbeitern versöhnen zu müssen und etwas offensichtlich Gutes für einen benachteiligten Menschen tun zu müssen, versucht sie, nicht mehr gegen die Menschen zu kämpfen, sondern wendet ihre erworbene Menschenkenntnis positiv an. So durchschaut sie wohl aufgrund ihrer eigenen Lebensgeschichte die unbewusste Bewegungslinie bei dem aufsässigen kleinen Mädchen Brenda. Sie gewinnt deren Vertrauen mit Fingerspitzengefühl, Gleichwertigkeit und Engagement und beginnt ein verbundenes Leben in einer kleinen Gemeinschaft mit Anne und Brenda. Sie bleibt jedoch darin stecken, dass sie vor allem glaubt, jeder Mensch müsste so mutig werden, dass man in Kauf nimmt, auch zu scheitern, um frei zu sein. Das stimmt zwar. Sie kann sich jedoch nicht vorstellen, dass nur die Nähe zu anderen und die Fähigkeit mit anderen zu kooperieren das Scheitern im Leben verhindert.
Sie erfasst dagegen den mangelnden Mut und die Zaghaftigkeit der ehrgeizigen Journalistin Anne genau und sehr empfindsam. Scheinbar nebenbei verhilft sie Anne dazu, sich selbst und ihre Schreibfähigkeit mehr wertzuschätzen, sich eine Liebesbeziehung zuzutrauen und ihre Zögerlichkeit zu hinterfragen. Dazu gehört auch, dass sie ihr vormacht, wie man mutig neue Herausforderungen angehen kann. Annes Zögerlichkeit scheint dabei so entstanden zu sein, dass Anne schon früh von ihrer wohl nervösen Mutter mit ihrem Vater zurückgelassen wurde – zugunsten irgendeines Lebenstraumes. Diese Gefühllosigkeit der Mutter bewirkte von Geburt an ein unsicheres Lebensgefühl, emotional immer alleingelassen zu werden. Und Anne deutete dies wohl dahingehend, dass sie generell vorsichtig sein musste und zu den Menschen Abstand nehmen musste.
Anne zeigt in ihrer Grabrede, dass sie innerhalb von 4 Wochen mit Harriet ein reichhaltiges Leben kennengelernt hat, in der sie sich kurzfristig wie mit einer – ersehnten – Familie verbunden fühlen konnte. Harriet konnte Anne aber aufgrund ihrer Eigenlogik nicht aufzeigen, dass sie sich besonders entwickeln könnte, wenn sie sich nicht nur für sich aufwertet und sich – auch gegen die Menschen – ein selbstbezogenes Leben aufbaut, sondern sich mit den Menschen frei verbinden kann, ohne ständige Angst vor Zurückweisung haben zu müssen.
Interessant ist, dass sich im Laufe der Entwicklung aller Beteiligter deutlich wird, dass sie doch von vielen geschätzt worden ist für ihr Engagement und ihre Ideen.
Dieser Entwicklungs-Film zeigt auf, dass sich Menschen dann mit anderen ihre Lebenslogik zu überwinden anfangen, wenn sie sich emotional erfasst fühlen und deshalb milder zu sich und anderen werden können, auch wenn sich eine unbewusste Lebensmelodie nur verändern lässt, wenn man sich genau damit auseinandersetzt.

Ablauf Filmbesprechung
- 16.00 h Gemeinsames Kochen, für diejenigen, die gerne mitkochen
- 17.30 h gemeinsames Essen, für diejenigen, die gerne gemeinsam essen
- 21.15 h Besprechung des Filmes: Die Filme werden vorher von jedem privat angeschaut.
Die Filmbesprechungen finden in Dübendorf, Im Schossacher 17, 3. Stock statt.
Der Mensch weiß viel mehr als er versteht.